Urininkontinenz

Definition 
Die Urininkontinenz ist definiert als unkontrollierter Urinverlust über die Harnröhre. Die Kontinenz ist abhängig von der funktionellen Integrität der Harnblase und der Harnröhrenverschlussmechanismen. 

Inzidenz (Häufigkeit) 
Bis 15% der Frauen zwischen 30 und 40 Jahren, 25% der Frauen zwischen 40 und 50 Jahren und mehr als 60% der Patientinnen in geriatrischen Abteilungen. Bei den Männern besteht bei 70 jährigen eine Inkontinenz bei rund 30%. In Alter-und Pflegeheimen kann die Rate höher sein.

Einteilung 
Es werden 5 Arten der Urininkontinenz unterschieden, wobei dier ersten drei klar die relevantesten sind:

1. Dranginkontinenz
Harndrang mit unkontrollierbarem Urinverlust bei Drang.

  • Nicht neurogen: Z.B. bei Reizblase, Blasenentzündung oder Blasenstein, seltener bei einem Blasentumor.
  • Neurogen: Im Rahmen von neurologischen Problemen/Erkrankungen wie z.B. Multiple Sklerose, Bandscheibenvorfall etc. 

2. Belastungsinkontinenz 
Insuffizienz der Harnröhrenverschlussmechanismen. Ursachen dafür sind z.B. Geburten, allgemeine Gewebeschwäche z.B. im Alter, stattgehabte Eingriffe im Becken (z.B. Hysterektomie, Rektumresektion, Zystektomie, Prostatektomie etc.). Es gibt 3 Schweregrade:

  •    I Urinverlust beim Husten, Niesen, Lachen
  •   II Urinverlust bei Bewegungen wie Treppensteigen, Lasten heben, Aufstehen, Gehen
  •  III Urinverlust im Liegen, wie auch im Stehen

3. Gemischte Inkontinenz 
 
Drang- und Belastungskomponenten liegen kombiniert vor. 

4. Ueberlaufinkontinenz
Als Folge eines chronischen Abflusshindernisses mit Ueberdehnung der Harnblasenmuskulatur, z.B. bei Prostatavergrösserung oder bei Schwäche des Harnblasenmuskels. 

5. Extraurethrale Inkontinenz  Bei Fisteln (Verbindung zwischen Blase, Harnröhre und Scheide oder Darm). 

Häufigkeit 
Belastungsinkontinenz: 40 %, Dranginkontinenz 20%, gemischte Form 38%, andere 2%. 

Untersuchungen 
Idealerweise führen die Patientinnen und Patienten vor der Konsultation über zwei bis drei Tage ein Blasentagebuch und beschreiben darin exakt ihre Miktionsgewohnheiten: Art des Urinierens, Auftreten von Inkontinenz (wann, wo, wie, wie häufig?) etc. Wichtig für die Planung der weiteren Schritte sind zudem das Erfassen der Vorgeschichte (Operationen, Medikamente etc.). Es folgt die klinische Untersuchung inklusive gynäkologischer und neurologischer Statuserhebung. Je nach Befunden wird die Diagnostik erweitert mit Urinsediment, Zystoskopie (Blasenspiegelung) und Röntgenuntersuchungen. Sehr hilfreich und oftmals richtungsweisend, ist die urodynamische Abklärung. Dabei wird mittels eingelegtem Blasen- und Mastdarmkatheter der Druck in der Harnblase während der Füllungs- und Entleerungsphase gemessen. Zeitgleich werden etwaige Urinverluste dokumentiert und ausgemessen. 

Behandlung 
Die Behandlung ist grundsätzlich von der Art der Inkontinenz abhängig:

Konservative Ansätze
Beckenbodengymnastik, Rehabilitation des Beckenbodens, Anpassen der Trinkgewohnheiten oder des Lebensstils, Therapieoptimierung von Begleiterkrankungen (z.B. Herzinsuffizienz), Gewichtsreduktion, Tragen von Einlagen, Bänder zur externen Kompression der Harnröhre (Mann), Pessare zur Optimierung des Blasenauslasswinkels, Kathetereinlage und anderes mehr. 

Medikamentöse Therapie
Blasensedierende Medikamente (Anticholingerika), Medikamente zur Erhöhung des Schliessmuskeltonus. 

Chirurgische Therapie
Die Behandlung ist von der Art der Inkontinenz abhängig:

  • Dranginkontinenz: Behandlung der Ursache wie z.B. Blasensteinentfernung, Toxin A (Botox) in den Blasenmuskel, Implantation eines Neuromodulators an der sakralen Nervenwurzel, Blasennaufbauplastik mit einem Stück Dünndarm bei kleiner Kapazität etc.
  • Belastungsinkontinenz: Kollagen-Injektionen im Bereich des Harnröhren Schliessmuskels, Einlage von harnröhrenunterstützenden Bändchen (TVT, TVT-O etc. via Scheide oder beim Mann ähnliche Produkte via Perineum), Blasenhalssuspension (Marchetti-Krantz, Burch) oder Einbau einer Sphinkterprothese (künstlicher Schliessmuskel). 
  • Ueberlaufinkontinenz: Behebung des Ablusshindernisses z.B. mittels transurethraler Resektion der Prostata (TUR-P), Erlernen des Selbstkatheterismus bei funktionsloser Harnblase.
  • Extraurethrale Inkontinenz: Operative Sanierung der Fistel.