Nierenmissbildungen

Missbildungen der Nieren sind relativ häufig. Sie kommen bei etwa 3-4% aller Neugeborenen vor. Die häufigsten werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Nieren beidseitig oder einseitig nicht angelegt (bilaterale oder unilaterale Nierenagenesie) 
Selten, Häufigkeit ca. 1:10'000, betrifft dreimal mehr männliche als weibliche Neugeborene. Die beidseits betroffenen Kinder sind nicht lebensfähig. 
Im Gegensatz zum beidseitigen Fehlen mit einer Häufigkeit von 1:1'000-1:1'500 häufig. Knaben sind knapp doppelt so oft betroffen wie Mädchen. Wird meist zufällig im Ultraschall diagnostiziert, ist ohne klinische Bedeutung und führt in der Regel zu einer normalen Lebenserwartung.

Unterentwickelte Niere (Nierenhypoplasie) 
Häufigkeit ca. 1:1'000. Ein Nierengewicht unter 50 g (normal ca. 130 g) führt zur kompensatorischen Vergrösserung der Gegenniere und ist symptomlos. Klinisch nur bei beidseitigem Auftreten oder Störung der gegenseitigen Nierenfunktion bedeutsam, was zu einem erhöhten Blutdruck führen kann. In diesem Fall besteht die Therapie in der Entfernung der hypoplastischen Niere.

Überzählige Nieren 
Meist Doppelniere, Häufigkeit <1%, asymptomatisch oder ohne wesentliche negative Auswirkungen. Die beiden Harnleiter vereinigen sich oder haben je eine eigene Mündung in die Harnblase in der Regel. Keine Therapie erforderlich.

Hufeisenniere 
Verschmelzungsanomalie, Häufigkeit 1-1,5%, familiär gehäuft, Mädchen sind doppelt so häufig betroffen wie Knaben. Normalerweise symptomlos, selten unklare Bauchschmerzen, Koliken bei Harnwegsinfekt und Stauungsniere. Meist keine Therapie erforderlich, bei Vereiterung Entfernung.

Senkniere (Nephroptose) 
Ursache: Bindegewebsschwäche. Äussert sich als Bauchschmerzen im Stehen, die sich im Liegen bessern. Die Therapie ist in der Regel konservativ (z.B. Gewichtszunahme), bei Versagen operative Fixierung am Zwerchfell.

Einfache Nierenzysten 
Häufigste Nierenfehlbildung, bei ca. 50% der über 50 Jährigen. Man unterscheidet extra- (ausserhalb) und intraparenchymale Zysten (innerhalb der Nierenrinde gelegen). Sie sind gefüllt mit bernsteinfarbener Flüssigkeit. 70% sind asymptomatisch. Es entstehen sehr selten dumpfe Flankenschmerzen und Koliken durch Verdrängung und Stauung des Hohlsystems durch die Zysten. Meist ist keine Therapie erforderlich. Bei Kompression oder Aufstau, starken subjektiven Beschwerden muss die Zyste durch einen offenen Schnitt oder endoskopisch reseziert werden, denn eine alleinige Punktion mit Entleerung führt meist zu einem Rezidiv.

Multizystische Nierendysplasie 
Häufig, nicht erblich. Gekennzeichnet durch das Auftreten multipler Zysten unterschiedlicher Grösse, oft als Zufallsbefund im Ultraschall entdeckt. Meist ohne Beschwerden, gelegentlich Gedeihstörungen. Sehr selten maligne Entartung. Die Therapie besteht in der operativen Nierenentfernung.

Polyzystische Nierendysplasie (autosomal-rezessiv vererbt) 
Selten, Häufigkeit ca. 1:40'000, oft schon vor Geburt im Ultraschall bemerkt. Bei Geburt als oft beidseitige Oberbauchtumoren erscheinend. Die Mehrzahl der Kinder entwickeln direkt nach Geburt oder in den ersten Lebensmonaten eine progressive Niereninsuffizienz. Die Prognose ist sehr schlecht. Führt meist bereits in den ersten Lebensmonaten zum Tode.

Polyzystische Nierendysplasie (dominant vererbt) 
Häufigkeit 1:400-1:1'000. Ist ein Elternteil betroffen, beträgt das Erkrankungsrisiko für das Kind 50%. Manifestiert sich oft erst im Erwachsenenalter, selten vor dem 30. Lebensjahr. Oft vergesellschaftet mit multiplen Zysten in Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und Lunge, welche zu einer tastbaren Organvergrösserung führen. Bis zu 1/3 der Patienten leiden unter dumpfen, durch Organverdrängung verursachte Bauchschmerzen. Erhöhter Blutdruck in ca. 50% der Fälle. Weitere Leitsymptome sind blutiger Urin, Nierensteine und symptomatische Harnwegsinfekte in jeweils ca. 20% der Betroffenen. Hirnbasisarterienaneurysmen (erweiterte, wandschwache Arterien) sind häufig und führen bei ca. 10% aller Patienten durch Hirnblutungen zum Tode. Mit 50 Jahren ist ca. 1/4, mit 70 Jahren die Hälfte der Patienten dialysepflichtig. Eine operative Therapie ist nur bei schmerzhafter Verdrängungssymptomatik sowie wiederholten Blutungen notwendig. Gegebenenfalls Transplantation.

Markschwammniere 
Selten, Häufigkeit ca. 1:10'000, nicht erblich, in 75% beidseitig. Gekennzeichnet durch das Auftreten erweiterter Sammelrohre und kleiner Zysten. Der Prozess spielt sich nur im Nierenmark ab und gibt diesem ein schwammartiges Aussehen. Die Hälfte der Betroffenen bleibt zeitlebens asymptomatisch. 30-50% weisen eine vermehrte Kalziumausscheidung auf, was in den meisten Fällen zu rezidivierenden Nierensteinen führt. Etwa 50% der von Markschwammnieren betroffenen Patienten leiden unter Nierenkoliken, in der Hälfte davon können Steinabgänge nachgewiesen werden. Weitere Erstsymptome sind therapieresistente Harnwegsinfekte oder sichtbares Blut im Urin. Die Therapie bei klinisch manifestem Steinleiden besteht in der Steinzertrümmerung mittels Stosswellen (ESWL), bei grossen Konkrementen oder grosser Anzahl durch eine operative Steinentfernung. Zur Senkung des Rezidivrisikos sollte die tägliche Trinkmenge von 2,5 Litern nicht unterschritten werden.