Harnsteinleiden (Urolithiasis)

Harnsteinleiden sind eine sehr häufige Erkrankung. Das Risiko im Laufe des Lebens eine Steinepisode zu erleiden liegt bei 5 -10 %, die Rückfallhäufigkeit beträgt zirka 30%. Männer sind doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Für die Entstehung von Harnsteinen sind verschiedene Faktoren verantwortlich, wie erbliche Veranlagung, Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme, Bewegungsarmut, Medikamentenaufnahme etc. Die treibende Kraft der Steinbildung ist die Übersättigung des Urins mit steinbildenden Substanzen. Es gibt verschiedene Stein-zusammensetzungen: Kalziumoxalatsteine (70-80%, hart, röntgendicht, es besteht eine Veranlagung), Infektsteine (10-15%, weicher, weniger röntgendicht, entstehen durch einen Harnwegsinfekt), Harnsäuresteine (5-8%, nicht röntgendicht, können aufgelöst werden),  Zystinsteine (1%, weniger röntgendicht, vererbbar, können nur bedingt aufgelöst werden) und Xanthinsteine (sehr selten). 

Nierensteine (Nephrolithiasis) müssen nicht unbedingt Beschwerden bereiten, können aber bis zur irreversiblen Schädigung der Nierenfunktion führen. Daher sollten sie auch ab einer gewissen Grösse behandelt werden. 

Harnleitersteine (Ureterolithiasis): Falls ein Stein in den Harnleiter eintritt und eine Harnstauung bewirkt, können äusserst schmerzhafte Koliken auftreten. Die Diagnose basiert auf Bildgebungen mittels Computertomographie sowie Ultraschall. Weiterhin gehören Blut- und Urinuntersuchungen zur Diagnostik. 
Die notfallmässige Behandlung der Steinkolik beinhaltet die Schmerzbekämpfung und die Wiederherstellung des Urinabflusses aus der gestauten Niere. Die Steinentfernung an sich ist oftmals erst in einem zweiten Schritt möglich. Absolute Indikationen zur Hospitalisierung sind die sogenannte obstruktive Pyelonephritis (Nierenbeckenentzündung bei Abflusshindernis), akute Niereninsuffizienz mit Oligurie (wenig Urinproduktion), Patienten mit Einzelniere oder unerträgliche Schmerzen. 

Steinbehandlung 
Es stehen uns folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Abwarten des spontanen Steinabgangs
Zirka 95 % der in den Harnleiter eingetretenen Steine bis 4 mm gehen ohne weitere Massnahmen innerhalb von 40 Tagen ab. Somit ist es bis zu einer Steingrösse von 5mm bei fehlenden Symptomen und freiem Harnabfluss ohne Urininfekt vertretbar, zuzuwarten. Regelmässige Nachkontrollen sind jedoch notwendig, um nicht klinisch stumme Harnstauungen oder ein Steinwachstum zu verpassen. Unterstützend kann man eine Schmerztherapie und einen Alphablocker (Prostatamedikament) zur Entspannung des Harnleiters geben.

Medikamentöse Steinauflösung
Die medikamentöse Steinbehandlung (Urinalkalinisierung) mit Kaliumzitrat (Tabletten) ist bei Harnsäuresteinen in über 70 % erfolgreich. Jedoch nur, wenn der Harnstein von Urin umflossen wird. Gegebenenfalls muss die Urinpassage mittels Ureterkathetereinlage erzwungen werden. Bei Zystinsteinen, einer seltenen Steinart, ist dies beschränkt möglich.
Hierbei kontrolliert der Patient den urin mittels Teststreifen. Der Ziel-pH-Wert des Urins liegt im alkalischen Bereich zwischen 6,2 und 6,8.

Extrakorporelle Stosswellenbehandlung (ESWL)
Die ESWL ist eine nicht-invasive Möglichkeit, Harnsteine wirksam zu behandeln. Mittels Stosswellen wird der Harnstein in Partikel von kleiner als 2 mm zertrümmert. Der so entstandene Steinsand wird in der Regel auf natürlichem Weg ausgeschieden. 80% der Patienten sind nach einer ESWL-Behandlung innerhalb von 3 Monaten steinfrei. Nebenwirkungen der ESWL-Behandlung sind relativ selten (Koliken nach ESWL, blutiger Urin, Blutergüsse der Niere, Harnstauungsniere). Zusätzliche unterstützende Massnahmen (Ureter- oder Nierenkathetereinlagen) sind bei 30% der Fälle nötig. Schwerwiegende Komplikationen sind sehr selten. Die ESWL kommt im gesamten Harntrakt zur Anwendung und wird je nach Steinart, Gerätetyp und Patientenempfindlichkeit mit starken Schmerzmitteln oder rückenmarksnaher Anästhesie durchgeführt. Eine ESWL-Behandlung ist nicht möglich bei eitrigen Nierenentzündungen, Blutgerinnungsstörungen und Schwangerschaft.

Endourologische Steinentfernung durch den Harnleiter (Ureterorenoskopie/URS)
Bei Steinen im Harnleiter, wo keine ESWL durchgeführt werden kann oder diese erfolglos war, kann eine URS durchgeführt werden. Dabei kann ein feines Arbeitsinstrument mit Kameraoptik auf natürlichem Weg, das heisst via Blase und Harnleiter, in die Niere eingeführt werden. Meist ist eine vorgängige Harnleiterkathetereinlage (DJ-Kathether) nötig. Dieser dient dazu, dass bei der URS der Harnleiter besser mit der Kamera passiert werden kann. Nach einigen Tagen geht man mit einer kleinen Kamera über die Harnröhre und Blase bis in den Harnleiter. Der Stein kann dann mit einer feinen Zange gefasst und entfernt werden oder er wird direkt vor Ort mit einem Laser zertrümmert. Hierfür ist eine Narkose notwendig.

Endourologische Steinentfernung durch die Haut (perkutane Nephrolitholapaxie/PNL)
Die perkutane Nephrolitholapaxie (PNL) wird bei grossen Steinmassen in der Niere und bei komplexen Steinsituationen durchgeführt. Hierbei wird die Niere sonographisch gesteuert durch die Haut punktiert und ein dünner Arbeitskanal wird eingeführt. Hierüber kann eine Kamera in die Niere eingeführt werden, die Steine werden so unter Sicht mittels Laser zertrümmert und können entfernt werden.  Dieser Eingriff wird in Narkose durchgeführt. 

Schnittchirurgische Operationen
Dank der modernen endoskopischen Methoden und er ESWL sind offene chirurgische Eingriffe wegen Harnsteinleiden nur noch selten notwendig. Dieser Eingriff wird lediglich bei weniger als 1% aller Patienten, bei besonders grossen Steinmassen (Ausgusskonkremente) oder wo begleitende Erkrankungen operativ korrigiert werden, durchgeführt.

Vorbeugung (Metaphylaxe)
Die wichtigste vorbeugende Massnahme ist eine ausreichende Trinkmenge, so dass die tägliche Urinproduktion mindestens 2 Liter beträgt. Vereinfacht gesagt sollte die Urinfarbe klar sein. Ca-Oxalatsteine: Der frühere Ratschlag, auf kalziumhaltige Produkte zu verzichten, gilt heute nicht mehr. Man sollte hingegen, insbesondere nach mehrmaligem Steinereignis, auf oxalathaltige Produkte wie Spargel, Rhabarber, Spinat, Eistee, Schwarztee und Schokolade verzichten. Harnsäuresteine: Einschränkung des Bier- und Fleischkonsums. 
Eventuell erfolgt bei auffälligen Laborwerten eine weitere Abklärung z.B. auf eine Überfunktion der Nebenschilddrüse. Eine Spezialssprechstunde, in welcher aufgrund von Stein- und Urinanalyse diätetische und medikamentöse Empfehlungen gemacht werden, wird durch die Nephrologie angeboten.